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Gott ist aus der Kirche ausgetreten!

Ich weiß nicht, ob Sie es damals mitgekriegt haben – es ging sehr schnell und war auch ein bißchen flüchtig. Fast hatte ich den Eindruck, daß es Absicht war, als neulich die Nachricht um die Erde lief: Gott sei aus der Kirche ausgetreten. Zuerst wollten viele das verständlicherweise nicht glauben. „Lüge, Propaganda und Legende“, sagten sie, bis die Oberen und Mächtigen der Kirche sich dann schließlich erklärten und in einem sogenannten Hirtenbrief folgendes erzählten: „Wir, die Kirche, haben Gott dem Herrn in aller Freundschaft nahegelegt, doch das Weite aufzusuchen, aus der Kirche auszutreten und gleich alles mitzunehmen, was die Kirche immer schon gestört hat. Nämlich seine wolkenlose Musikalität, seine Leichtigkeit und vor allem Liebe, Hoffnung und Geduld. Seine alte Krankheit, alle Menschen gleich zu lieben, seine Nachsicht, seine fassungslose Milde, seine gottverdammte Art und Weise, alles zu verzeihen und zu helfen sogar denen, die ihn stets verspottet. Seine Heiterkeit, seine Komik, seine Großzügigkeit bis zur Selbstaufgabe, sein utopisches Gehabe, seine Vorliebe für jene, die gar nicht an ihn glauben, seine Virtuosität des Geistes überall und allenthalben, auch sein Harmoniekonzept bis zur Meinungslosigkeit. Seine unberechenbare Größe und vor allem seine Anarchie des Herzens etc, etc. Darum haben wir, die Kirche, ihn und seine große Güte unter Hausarrest gestellt. Weit entlegen, daß er keinen Unsinn macht...“


Hans Dieter  Hüsch

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